Die Spuren der Vergänglichkeit - Quality Magazine
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Die Spuren der Vergänglichkeit

Sidsel Dorph-Jensen ist keine gewöhnliche Silberschmiedin. Mit ihren filigranen Meisterstücken überschreitet die 38-jährige Dänin die Grenze zwischen Metall und Stofflichkeit.

Wenn Schweigen Gold ist, lässt sich über Silber durchaus reden. Dabei brauchen die raffinierten Tischobjekte von Sidsel Dorph-Jensen gar keine erklärenden Worte, um ihrer Wirkung zu erliegen. Wie kostbare Reliquien für die Rituale des Alltags kommen ihre Teller, Tabletts und Schalen daher, dass es einem Frevel gleichkäme, sie mit gewöhnlichen Speisen aufzufüllen. Silber ist für sie mehr als ein Metall. Es ist von einer Geschmeidigkeit wie Seide, deren Faltenwurf inmitten der Bewegung erstarrt.

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Sidsel Dorph-Jensen

Reihung und Rhythmus sind die Motive, die Sidsel Dorph-Jensens Arbeiten verbinden und von der statischen Schwere und – sprechen wir es ruhig aus – auch der Langeweile gewöhnlicher Silberware sorgsam abgrenzen. Die Schale „Square Lemellar Dish“ bringt ihre Haltung auf den Punkt: Auf 15 mal 25 Zentimetern schwebt eine dünne rechteckige Fläche über dem Tisch – getragen von feinen Silberstreifen in lasziver s-förmiger Biegung.

Deren Aneinanderreihung erfolgt keineswegs monoton, sondern erinnert an den Saum eines plissiertes Rockes, dessen Falten jeweils eine individuelle Haltung einnehmen. Selbst die Oberseite der Schale erscheint nicht als stumpfe, ebene Fläche. Ihre Ränder schauen leicht nach oben und sorgen für eine diffuse Spiegelung der Umgebung, während das durch die Falten des Sockels einfallende Licht die Schale optisch zum Schweben bringt. Es gibt nur wenige Formen, die so kraftvoll und verletzlich zugleich wirken.

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Feinen Silberstreifen in lasziver s-förmiger Biegung.

„Viele halten mich für eine Schmuckdesignerin. Aber das bin ich nicht. Ich bin eine Silberschmiedin“, betont Sidsel Dorph-Jensen, der der funktionale Charakter ihrer Arbeiten wichtig ist. Geboren 1973 im dänischen Nyborg, begann sie ihre Ausbildung 2001 an der Konstfack University of Arts in Stockholm und machte ihren Abschluss am renommierten Royal College of Art in London. Seit sie 2010 ihr Studio in Aarhus eröffnet hat, gewinnt sie eine Auszeichnung nach der anderen, darunter 2011 den hoch gehandelten Karl Gustav Hansen Preis als „Silberschmiedin des Jahres“.

Es gibt nur wenige Formen, die so kraftvoll und verletzlich zugleich wirken.

Es gibt nur wenige Formen, die so kraftvoll und verletzlich zugleich wirken.

Ihre Objekte fertigt Sidsel Dorph-Jensen in allen Arbeitsschritten selbst an und rollt sogar die Platten auf einer alten Mühle zu hauchdünnen Blättern. Indem sie das Material an die Grenzen seiner Belastbarkeit bringt, wirft sie Sehgewohnheiten über Bord. Sie zeigt, wie Silber auch in punkto Design in vorderster Reihe mitspielen kann. Dass die Oberfläche ihrer Arbeiten mit der Zeit zu oxidieren beginnt und eine typische schwarze Patina annimmt, stört sie nicht. Für diejenigen, die dennoch den weißen Schein erhalten wollten, bietet sie auf ihrer Homepage eine Anleitung, wie sich das Edelmetall so einfach polieren lässt, wie die eigenen Schuhe. Doch liegt der Reiz von Silber nicht gerade in den Spuren der Vergänglichkeit?

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