17 Sep Laszive Kurven
Schluss mit dem rechten Winkel: Die Raststation und Aussichtsplattform am norwegischen Küstenort Selvika beherrscht souverän den Hüftschwung. Wie eine dynamische Rampe schlängelt sich der Betonbau von der Straße zum Strand hinab.
Zugegeben, in den Verdacht von Kostverächtern werden der Osloer Architekt Reiulf Ramstad und sein Büro RRA Arkitekter in Zukunft kaum mehr kommen. Am einzigen zugänglichen Sandstrand der Insel Havøysund an der nördlichen Spitze Norwegens gestalteten sie keine gewöhnliche Raststation, sondern ein sich prächtig räkelndes Kurvenwunder. Wer im Auto die Küstenstraße an der Barentssee entlang fährt, kommt gar nicht umhin, sofort auf die Bremse zu treten und das Bauwerk zu erkunden. Was es so besonders macht? Ganz einfach: Es ist eine Mischung aus Showtreppe und Observatorium, die den Weg vom Auto zum Strand zur begehbaren Bühne macht.
„Das Hauptanliegen war, die Geschwindigkeit der Bewegung zu reduzieren und den Weg selbst zu einem Mittel zu machen, um sich auf die Art der Wahrnehmung zu konzentrieren: „Ein maßvoller, zurückhaltender Ansatz, der das Bewusstsein für den Ort schärft“, erklärt Reiulf Ramstad das Konzept. Zehn Kurven ließ er zu einem kontinuierlichen Band aus hellgrauem Sichtbeton verschmelzen, deren Positionen alles andere als zufällig sind. Wie präzise eingeworfene Regieanweisungen lenken sie den Blick mit jeder Wendung in eine andere Richtung, sodass der Strand und das Meer nicht auf Anhieb zu sehen sind. Stattdessen werden sie vielmehr in visuellen Häppchen Stück für Stück preisgegeben, bis sich am Ende der Rampe das gesamte Bild zusammenfügt.
Errichtet wurde die Raststation im Auftrag der norwegischen Straßenbauverwaltung, die ganz bewusst keinen neutralen 08/15-Bau, sondern einen Anziehungspunkt für die Besucher und Bewohner der Insel wollte. Neben der Rampe zum Strand verfügt das Gebäude über eine Feuerstelle, eine offene Küche sowie öffentliche Toiletten. Wer auf dem Weg zum Strand Rast einlegen möchte, kann auf Sitzbänken aus Beton Platz nehmen, die aus den gekurvten Wänden herauswachsen. An einigen Stellen wird die Rampe zudem von runden Öffnungen durchbohrt, als wäre sie ein Schweizer Käse. Die Botschaft ist klar formuliert: Die tanzende Architektur ist kein Selbstzweck. Sie wird zum Rahmen, der die Natur in Szene setzt.
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