Der Klangzauberer - Quality Magazine
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Der Klangzauberer

Yasuhisa Toyota ist der gefragteste Akustiker der Welt. Mehr als 50 Konzertsäle verdanken dem Japaner ihre klangliche Perfektion, darunter die Walt Disney Concert Hall in Los Angeles oder das Konzerthaus von Kopenhagen. In Deutschland stehen in den nächsten Wochen gleich zwei Projekte vor der Vollendung: Die Elbphilharmonie in Hamburg sowie der Pierre Boulez Saal in Berlin.

Architektur und Klang sind eng miteinander verwoben, auch wenn sie zunächst ganz unterschiedliche Sinne bedienen. Auf der einen Seite steht das unsichtbare Hörerlebnis. Auf der anderen Seite die visuelle, physische Erfahrung. Worauf es ankommt, damit ein architektonisch perfekt durchkomponierter Raum auch perfekt klingt, weiß Yasuhisa Toyota. Der 64-Jährige Japaner ist der derzeit weltweit gefragteste Akustikexperte, der spektakuläre Neubauprojekte ebenso betreut wie den Umbau bestehender Konzertsäle.

Ursprünglich hatte der gebürtige Tokioer selbst eine Musikerkarriere ins Auge gefasst. Allerdings war er einsichtig genug, zu erkennen, dass er die Oboe – sein bevorzugtes Instrument – niemals auf konzertreifem Niveau würde spielen können. Doch Entbehrung macht bekanntlich erfinderisch. Und so wählte er einen anderen Weg, um der klassischen Musik in seinem Alltag ganz nahe zu kommen: Als Klangingenieur, der schon bald nach seinem Studium am Tokioer Kyushu Institute einige der berühmtesten Konzertsäle der Welt planen sollte.

Akustiker gibt es nicht wie Sand am Meer. Die Branche ist überschaubar und man kennt sich untereinander. Das hat zwei Gründe: Natürlich steht die Suche nach dem perfekten Klang an vorderster Stelle: eine sehr technische, an physikalischen Kenngrößen wie Nachhallzeit, Schalltransmission und Schallabsorption ausgerichtete Disziplin, die für sich alleine genommen schon kniffelig genug ist. Doch Klang ist nie losgelöst vom Raum. Im Gegenteil: Er braucht erst Raum, um sich in ihm zu entfalten. Einen wesentlichen Teil seiner Arbeit widmet Yasuhisa Toyota daher dem Dialog mit den Architekten. Und genau an dieser Stelle ist äußerstes Fingerspitzengefühl gefragt.

Denn Architekten sind Überzeugungstäter. Jeder Versuch, ihnen eine gestalterische Lösung auszureden, muss mit höchstem diplomatischem Geschick vorgetragen werden. Doch als Japaner ist Yasuhisa Toyota nicht nur in puncto Höflichkeit geübt. Seit 2001 lebt er in Los Angeles und leitet dort die amerikanische Niederlassung des Unternehmens Nagata Acoustics. Er weiß, wie er kulturelle Unterschiede überbrücken kann. Und er weiß, wie er selbst die Diven der Baukunst zu bändigen vermag: Indem er seine klanglichen Lösungen mit einem Gespür fürs räumliche Ganze verbindet.

Und so stehen die Pritzker-Preisträger plötzlich Schlange, um Yasuhisa Toyota für ihre Projekte zu gewinnen. Bei der 2005 fertiggestellten Casa da Música in Porto arbeite er mit Rem Koolhaas und dessen Office for Metropoliten Architecture (OMA) zusammen. Das Konzerthaus von Kopenhagen (2009) entstand in Kooperation mit dem französischen Stararchitekten Jean Nouvel. Mit dem amerikanischen Baumeister Frank O. Gehry realisiert Yasuhisa Toyota bereits sein drittes Projekt: Nach der Walt Disney Concert Hall (2003) in Los Angeles und dem New World Center (2011) in Miami wird im März 2017 der Pierre Boulez Saal in Berlin eröffnet.

Das neue Konzerthaus wird künftig als Spielstätte des vom Dirigenten Daniel Barenboim initiierten West-Eastern Divan Orchestra dienen, das zu gleichen Teilen mit israelischen und arabischen Musikern besetzt ist. Bis zu 682 Sitzplätze fasst der Saal mit seinem schwebenden, ellipsenförmigen Rang im ehemaligen Magazingebäude der Staatsoper Unter den Linden. Die Zuhörer werden hier ganz nah an das Orchester herangebracht, um die Energie beim Musizieren spüren zu können. Das prominenteste Bauwerk, das Yasuhisa Toyota bislang betreut hat, erlebt bereits am 11. Januar 2017 seinen offiziellen Einstand: Die vom Basler Architektenduo Herzog & De Meuron entworfene Elbphilharmonie in Hamburg.

Elbphilharmonie Hamburg

Deren Decke ist mit 10.000 individuell gefrästen Gips-Platten verkleidet, die dafür sorgen, dass alle Zuschauer gleichermaßen einen perfekten Klang erleben. Gleichzeitig trägt die geriffelte Oberfläche mit ihren markanten, konkaven Ausbuchtungen entscheidend zur räumlichen Atmosphäre bei: Sie verwandelt den Konzertsaal in eine atmosphärische Höhle, in der Archaik und technische Raffinesse locker Hand in Hand gehen. Auch hier beschränkt sich die Arbeit von Yasuhisa Toyota keineswegs „nur“ auf das Unsichtbare. Akustische Lösungen bedeuten immer auch einen Eingriff in die Welt des Sichtbaren – ein Wechselspiel, das der japanische Klangzauberer aus dem FF beherrscht.

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