15 Mai Tatort Küche
Superinduktion, Präzisionssteuerung, Touchscreens oder auf den Fußboden projizierte Digitalanzeigen: Was die Hersteller von Küchen und Küchengeräten auf der Messe „LivingKitchen“ Mitte Januar in Köln präsentierten, degradiert jede Formel-1-Werkstatt zu einem müden Kegelklub. Die Küche ist zum technologischen Schlachtfeld geworden und wehe dem, der sich dem Wettrüsten am Herd entzieht. Ohne perfekt temperiertes Steaks mit synchron zubereiteten Vor- und Nachspeisen kann sich kein Gastgeber mehr sehen lassen.
Die Szenerie ist altbekannt. Junge Hostessen stehen in knappen Kleidern vor metallenen Kraftmaschinen und sorgen im Doppelpack für Aufsehen unter den größtenteils männlichen Besuchern. Doch es waren keine Sportwagen, Motorräder oder Geländefahrzeuge, die auf dem Kölner Messegelände mit tiefen Ausschnitten inszeniert wurden. Es ging um Öfen, Dampfgarer, Spülmaschinen und Induktionsfelder. Verkehrte Welt? Keineswegs. Denn die Küche ist die neue Spielwiese der Technologie und liefert Gadgets, die selbst James-Bond-Tüftler „Q“ erblassen ließen. Der Grund für diese Entwicklung liegt auf der Hand. Denn nirgends sonst in der Wohnung lässt sich offen mit dem Feuer spielen. Dampf steigt auf, es zischt und brutzelt, während ein ganzes Arsenal an säbelscharfen Messern kurz und klein macht, was ihnen unter die Klinge kommt. Es geht martialisch und archaisch in der Küche zu. Doch damit nicht genug. Wurde das Wissen über die richtige Zubereitung früher von den Eltern und Großeltern über jahrelanges Zuschauen erlernt, bleibt dafür heute keine Zeit. Damit das perfekte Ergebnis auf Knopfdruck gelingt, wird die gesamte Küche mit Sensoren bespickt wie eine Verhörkabine des KGB. Auch ohne ein Profi am Herd zu sein, lassen sich professionelle Ergebnisse erzielen, verspricht der französische Hersteller Electrolux mit seiner Edellinie „Grand Cusine“. Damit das Lamm von innen durch ist, ohne von außen schwarz anzubraten, gibt es den „Grand Cusine Combination Oven“.
Dieser sorgt am Anfang für extreme Hitze und karamellisiert damit die Kruste. Damit auch beim langsamen Rösten im Anschluss nichts schief geht, kontrolliert ein Sechs-Punkt-Sender die Temperatur im Innen und schlägt Alarm, wenn die Keule aus dem Ofen muss. Um Speisen bereits vor der Ankunft der Gäste zuzubereiten, hat Electrolux den „Blast Chiller“ entwickelt. Das Gerät erinnert an eine Waffe aus einem Superhelden- Comic und vermag Speisen in Sekundenschnelle einzufrieren. Der Vorgang geht so schnell, dass die Eiskristalle gar keine Zeit haben, die Zellstruktur von Fleisch oder Gemüse anzugreifen und somit auszutrocknen.
Sind die Gäste angekommen, können die fertigen Gerichte in wenigen Minuten wieder auf die richtige Temperatur gebracht werden. Der Vorteil dieser Lösung: Auch bei besonders zeitaufwändigen Speisen müssen professionelle Hobby-Köche nicht permanent am Herd stehen, sondern können ebenso Zeit am Tisch mit ihren Freunden verbringen. Hat der Edelstahllook noch vor Jahren die Optik hochwertiger Küchengeräte bestimmt, ist es heute Glas. Neben sattem Schwarz ist auch Farbe erlaubt, um die Geräte auf die Küchenmöbel abzustimmen oder bewusste Kontraste zu erzeugen. Zum Einsatz kommen hierbei besonders widerstandsfähige Glassorten wie das von Schott und Bauknecht entwickelte Spiegelglas „Schott®SeeClear“, das auch den tagtäglichen Gebrauch in Profiküchen übersteht. Dass Farbe selbst im Innenleben nicht fehlen darf, offenbart der Geschirrspüler „IGVE 6610.0“ von Küppersbusch. Wird das Gerät geöffnet, taucht eine blaue LED-Beleuchtung das dampfende Geschirr in einen mystischen Farbnebel. Damit nicht genug, schickt diese Gerätegeneration auch gleich die allgegenwärtigen Digitalanzeigen auf den Technikschrottplatz. Um die puristische Erscheinung der Küchenblöcke nicht durch störende Displays zu beeinträchtigen, werden die technischen Daten einfach auf den Fußboden projiziert. An der Unterkante der Tür wurde dafür ein winziger Beamer eingelassen, der kraftvoll genug ist, um Restlaufzeit und Programmstatus auch bei Tageslicht gut lesbar zu machen.
Wird das Gerät ausgeschaltet, erlischt auch die Anzeige und verwandelt das Gerät in einem kryptischen Monolithen. Clever verhält sich auch die Innenausstattung des „IGVE 6610.0“ , der mithilfe einer feinen Sensorik den Verschmutzungsgrad des Geschirrs erkennen und den Druck des Wasserstrahls gezielt steuern kann. Die Folge: Werden empfindliche Gläser somit geschont, müssen stark verschmutzte Töpfe und Pfannen eine umso härtere Dusche über sich ergehen lassen. Wie Multitasking auch Männern gelingt, zeigt der „Multi-Taste-Ofen GEZS“ von Grundig. Bis zu drei Gänge lassen sich auf den einzeln steuerbaren „Etagen“ des Ofens synchron zubereiten, ohne dass sich die Aromen untereinander vermischen. Eine Warmhaltefunktion sorgt dafür, dass die Gerichte bis zum Servieren auf der richtigen Temperatur gehalten werden. Für unsichere Naturen bietet der „Chef Assist“ eine Auswahl an vorprogrammierten Garprogrammen, mit denen 52 internationale Gerichte gekocht werden können. Wer zwischendurch den Faden verloren hat, kann sich die passenden Rezepte zudem am Flachbildschirm des Ofens anzeigen lassen.
Für Ordnung an der Küchenfront sorgt der bayerische Gerätehersteller Bora, der nicht nur Dämpfe und Kochgerüche ins Visier nimmt, sondern ebenso die traditionelle Abzugshaube. „Downdraft“ heißt das Verfahren, mit dem Dampf durch eine leistungsstarke Absauganlage direkt im Küchenblock verschwindet und den Raum über der Herdplatte frei macht. Trotz der Effizienz des Systems muss nicht befürchtet werden, dass Orkanwinde über die Pfanne hinwegfegen oder gar die Suppe aus dem Topf gesogen wird. Das Gerät arbeitet derart leise und dezent, dass man es kaum bemerkt. Einen anderen Weg, der Abzugshaube den Garaus zu machen, geht Bauknecht mit seiner Abzugshaube „Bauknecht Galerie“. Das Gerät wird direkt an die Wand montiert und hinter einer bedruckten Front verborgen. Neben einer Auswahl an vorgegebenen Motiven kann die „Designhaube“ auch mit eigenen Fotos oder Zeichnungen personalisiert werden und erhält auf diese Weise die Anmutung eines Bildes. 570 Kubikmeter Raumluft können in der Stunde gefiltert werden, während das Gerät mit einer Breite von 55 Zentimetern selbst in kompakten Küchen den richtigen Platz an der Wand findet.
An den Kragen geht es auch dem guten alten Wasserkocher, dem nun die Mischbatterie erbittert Konkurrenz macht. Neben einer traditionellen Kalt- und Warmwasserspeisung können Geräte wie das System „Blanco Hot“ von Blanco ebenso kochend heißes Wasser aus dem Hahn lassen. Vergehen beim Wasserkocher mitunter mehrere Minuten Wartezeit, ist die Mischbatterie sofort einsetzbar. Damit Liebhaber von Grüntee ihre Blätter nicht mit kochend heißem Wasser überschütten müssen, steht zudem eine Regulierungsmechanismus zur Verfügung, mit dem die Wassertemperatur stufenlos von 65 Grad Celsius bis zum Siedepunkt eingestellt werden kann. Auch an Kinder wurde gedacht, für die eine Sicherung mit einem kombinierten Druck- und Drehmechanismus eingebaut wurde.
Verfügen viele Ofen und Spülmaschinen mittlerweile über mehr Rechenleistung als der Bordcomputer von Apollo 11, dürfen auch die Küchen nicht mehr ohne eine elektronische Steuerung auskommen. Die „Hidden Kitchen“ von Warendorf ist auf den ersten Blick unsichtbar. Wer den Küchenraum betritt, sieht lediglich eine sieben Meter lange Wand aus gerostetem Stahl. Deren Oberfläche wurde mit feinen Eisenteilen wie ein Lack aufgesprüht, sodass sich unterschiedliche Nuancen des Rostgrades auf ihr abbilden. Die Küchenzeile selbst ist hinter der Rostwand verborgen und kommt nur dann zum Vorschein, wenn tatsächlich gekocht werden soll. In bester Sesam-Öffne-Dich-Manier fährt der fünf Meter breite Mittelteil auf Knopfdruck nach oben und offenbart das funktionale Innenleben der Küche. Kühlschrank, Gefrierschrank und einige Ablagen befinden sich in den statischen Seitenteilen der Küche, sodass nicht erst die gesamte Metallfront nach oben gefahren werden muss, um an eine kühle Flasche Wasser zu gelangen.
Den Trend zu hochwertigen Steinoberfläche im Küchenbereich bringt der Stuttgarter Designer Michael Schmidt sogar auf die Terrasse und in den Garten. Die von ihm entwickelte Outdoor-Küche „bbqube“ verfügt über einen massiven Küchenblock aus einem bräunlichen Kalkstein und wird von zwei dreibeinigen Böcken aus Massivholz getragen. „Wir wollten nicht nur das Grillen, sondern den gesamten Prozess vom Vorbereiten über das Zubereiten bis zum Verzehren nach draußen bringen“, sagt Michael Schmidt. Seine Küche verfügt über eine Kombination aus Holzkohle- und Gasgrill sowie ein Spülbecken mit diversen Einsätzen. Damit Wind und Kälte der Küche nicht zusetzen, kann diese mit einer atmungsaktiven Haube in den Wintermonaten geschützt werden. Was bei alledem noch fehlt? Richtig: der passende Tisch. Dass hierbei keine gewöhnliche Eiche in Frage kommt, versteht sich von selbst. Den Esstisch der Superlative führt der italienische Naturholzmöbel- Hersteller Riva 1920 im Programm, der sogar mit fossilen Qualitäten aufwarten kann. 50.000 Jahre lagen die Kauri-Bäume im Schlamm vergraben, ohne dass sie durch Luftzufuhr zersetzt wurden. Ihre Stämme sind von derart kräftigem Durchmesser, dass der Tisch „Riflessi Millenari“ aus einem Stück gefertigt wird. Getragen werden die prähistorischen Holzscheiben von Füßen aus poliertem Stahl, die der Bildhauer Helidon X einzeln anfertigen ließ. Na dann, guten Appetit.
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